Geschichte der Dresdner Philharmonie ⇐ Artikelentwürfe
Vorläufige Artikel
-
Anonymous
Geschichte der Dresdner Philharmonie
Post by Anonymous »
Die '''Geschichte der Dresdner Philharmonie''' umfasst den Zeitraum von 1870 bis heute und wird hier mit detaillierten Informationen dargestellt, die ihrerseits den Rahmen des Artikels Dresdner Philharmonie gesprengt hätten.
1712437367
Anonymous
[h4] Die '''Geschichte der Dresdner Philharmonie''' umfasst den Zeitraum von 1870 bis heute und wird hier mit detaillierten Informationen dargestellt, die ihrerseits den Rahmen des Artikels Dresdner Philharmonie gesprengt hätten.
== Gewerbehaussaal 1870, Gewerbehaus-Orchester 1871 und bis zum „Dresdner Philharmonischen Orchester“ 1915 ==
=== Vorgeschichte ===
Von der Mitte des 18. Jahrhunderts an gab es Bemühungen um die Etablierung einer bürgerlichen Musikpflege als Pendant zur höfischen Musiktradition in Dresden. Dabei spielten vor allem die „Dilettanten-Konzerte“ bis weit in das 19. Jahrhundert hinein eine besondere Rolle. Bemühungen um die Etablierung eines regelmäßigen bürgerlichen Konzertlebens, wie die von Carl Maria von Weber (ab 1821) und Richard Wagner (1848) scheiterten zunächst daran, dass es ein einheitliches Orchester nicht gab.Härtwig, Philharmonie, 1992, S. 8, 9. Einen ersten großen Erfolg verzeichnete der Musikdirektor Hugo Hünerfürst, der von 1851 bis 1858 die zur Zivilkapelle umgestaltete Musikkorps der Dresdner Kommunalgarde übernahm und zu überregionaler Popularität führte. Ab 1861 übernahm Moritz Erdmann Puffholdt das Musikerensemble, sah sich einerseits zwar laufend wirtschaftlichen Schwierigkeiten ausgesetzt, sowie dem Desinteresse des Rates der Stadt an einer „Stadtmusik“. Gleichwohl konnte Puffholdt mit seinem ''Puffholdt’schen Musikchor'' (später ''Stadtmusikchor'') die künstlerische Spitze der verschiedensten Kapellen halten und zugunsten der Musiker mit der Gründung des Musiker-Vereines 1869 noch ausbauen.
=== Gewerbehaussaal und Gründung der „Gewerbehaus-Kapelle“ ===
Am 29. November 1870 wurde im neu eröffneten Gewerbehaus (Dresden)|Gewerbehaus auf der Ostraallee 13 ein für die Bürger der Stadt zugänglicher Veranstaltungssaal ''(Gewerbehaussaal)'' mit 2057 Sitzplätzen eröffnet.Paul Schumann, Friedrich Kummer (Journalist)|Friedrich Kummer: [http://www.archive.org/details/dresdenunddasel00fremgoog ''Dresden und das Elbgelände''. Verlag des Vereins zur Förderung Dresdens und des Fremdenverkehrs, 1918] Der Gewerbeverein Dresden, gleichzeitig auch Bauherr für diesen Saal, band vertraglich das Stadtmusikchor unter Puffholdt für die regelmäßige musikalische Bespielung des Saales. Noch 1870 wurde das erste Sinfoniekonzert u. a. mit Ludwig van Beethoven|Beethovens ''5. Sinfonie (Beethoven)|5. Sinfonie'' gegeben, ihm folgte eine ''Beethoven-Säcularfeier'' noch 1870 und schließlich eine Konzertpflege, die es „in dieser Intensität, Regelmäßigkeit, Breitenwirkung … bis dahin in Dresden nicht gegeben hatte“.Härtwig, Philharmonie, 1992, S. 12. Puffholdt etablierte die „Großen Sinfonie-Konzerte“ mit einem dem damaligen Zeitgeschmack entsprechenden Programm ebenso, wie es im März 1871 ein erstes Gastdirigat gab (Michail Slatinn mit Werken u. a. von Anton Rubinstein|Rubinstein, Michail Glinka|Glinka und [url=viewtopic.php?t=383]Alexander[/url] Nikolajewitsch Serow|Serow).Härtwig, Philharmonie, 1992, S. 10–15.
Gleichwohl hatte der Gewerbe-Verein nicht im Sinn, das ''Stadtmusikchor'' dauernd an das Gewerbehaus und seinen Saal mit hervorragenden Klangeigenschaften zu binden (Puffholdt war ''Stadtmusikdirektor'' und hatte mit seinem Orchester Pflichten gegenüber dem Rat der Stadt zu erfüllen), sondern verfolgte die Idee, eine eigene Kapelle zu gründen und zu unterhalten, auf die er alleinigen Einfluss hatte.[http://digital.slub-dresden.de/id31475276Z/2370 Adreßbuch für Dresden und seine Vororte, 1904] Im April 1871 verpflichtete er Hermann Gustav Mannsfeldt, ein in Dresden lange bekannter Dirigent, ein eigenes Orchester zu bilden. Mannsfeldt, der mit einem Teil seines Orchesters aus Kassel gekommen war,
Diese Chronologie (und die weiteren geschichtlichen Ereignisse) haben die Dresdner Philharmonie veranlasst, ihr eigenes Gründungsdatum auf das Jahr 1870 zu fixieren: Am 18. November 1930 fand erstmals ein repräsentatives „Jubiläums-Konzert“ zu „60 Jahre Orchester Dresdner Philharmonie“ unter Leitung von Fritz Busch im Gewerbehaus statt, womit das Orchester selbst „seine“ Traditionslinie endgültig fixierte.Härtwig, Philharmonie, 1992, S. 64.
=== Erstes Auslandsgastspiel und Aufschwung des bürgerlichen Konzertlebens in Dresden ===
Unmittelbar nach Dienstantritt von Hermann Mannsfeldt gelang ihm Anfang 1871 ein erster „Coup“: Johann Strauss (Sohn)|Johann Strauss war in Pawlowsk (Sankt Petersburg)|Pawlowsk auf Grund seiner Amerika-Reise vertragsbrüchig geworden und auf der Suche nach Ersatz wurde die Dresdner Gewerbehaus-Kapelle unter Hermann Mannsfeldt für die Sommersaison 1871 in Pawlowsk verpflichtet - und auf Grund ihres Erfolges auch für die Folgesaison 1872.Härtwig, Philharmonie, 1992, S. 19. In der Geschichte der Dresdner Philharmonie ist dies damit das erste „Auslandsgastspiel“, 1879 folgte dann eines in Warschau, 1883 in Amsterdam und weiteren holländischen Städten.
Der ausgeschiedene Puffholdt wiederum musste für seine Kapelle neue Musiker verpflichten, gleichwohl gelang es ihm nicht umfassend, und an frühere Erfolge anzuknüpfen war ihm dadurch verwehrt: 1872 wurde die ''Stadtkapelle'' nach insgesamt über 450-jährigem Wirken (einschließlich deren Vorgänger) aufgelöst.Härtwig, Philharmonie, 1992, S. 16.
Mannsfeldt wiederum leistete mit seiner ''Gewerbehaus-Kapelle'', der er 14 Jahre, bis 1885, vorstand, ein immenses Arbeitspensum: Regelmäßig wurden in den Wintermonaten an allen Wochenenden, zusätzlich donnerstags, später zusätzlich auch noch dienstags konzertiert. Sommerferien gab es nicht, hier wurden sommerliche Konzerte im ''Belvedere (Dresden)|Belverdere'', im Großen Garten und weiteren freien Plätzen (heute: „Freiluft-Konzerte“) angesetzt (eine Konzerttradition in Dresden, die erst in den 1990er Jahren zum Erliegen kam). Dazu kamen seit 1876 regelmäßige Konzerte mit dem Dresdner Kreuzchor sowie zusätzliche Oratorien- und Chorkonzerte mit den Dresdner Musikvereinigungen, Benefizkonzerte, Vereinsabende usw. Als Konzertmeister diente u. a. bis 1879 der belgische Violinist Eugène Ysaye, der von hier aus seine internationale Karriere starten konnte.Härtwig, Philharmonie, 1992, S. 17–18.
Mannsfeldt selbst richtete seine Konzerte zunehmend programmatisch aus, in dem er sie in „Abteilungen“ gliederte. Ab 1883 gehörten programmatische „Historische Concerte“ (z. B. „Von Bach bis Wagner“) dazu. Die Beethoven-Pflege und sein Einsatz für Johannes Brahms, Richard Wagner und Anton Rubinstein in „Extra-Concerten“ gehörten genauso zu Mannsfeldts Wirken, wie auch die Einführung von Solokonzerten oder auch – völlig neuartig – „Concerte ohne Tabakrauch“.
In der Spielzeit 1885/1886, nach dem Ausscheiden Mannsfeldts 1885, begründete schließlich der Berliner Hermann Wolff (Konzertagent)|Hermann Wolff (ohne eine formale Position im Orchester selbst innezuhaben) auch in Dresden seine Idee ''Philharmonischer Konzerte'' – womit erstmals ''philharmonisch'' im Zusammenhang mit der Gewerbehaus-Kapelle nachweisbar ist.Härtwig, Philharmonie, 1992, S. 20. Für diese Abende wurde die Gewerbehaus-Kapelle auf 70 Musiker vergrößert, sie wurden von Jean Louis Nicodé bis zur Spielzeit 1888/1889 geleitet und waren danach bis 1894 ausgesetzt; von diesen ab 1894 bis 1915 durchgeführten Konzerten führt eine direkte Linie zu den „Außerordentlichen Konzerten“ der Dresdner Philharmonie.Härtwig, Philharmonie, 1992, S. 21, 23.
=== 25 Jahre Gewerbehaus-Orchester unter August Trenkler und Willy Olsen ===
Das Gewerbehaus-Orchester, das nach dem Ausscheiden Mannsfeldts trotz der Bindung an den Gewerbeverein und seinen Saal praktisch auf sich selbst gestellt war, wurde zunächst künstlerisch von den Kapellmeistern Michael Zimmermann in der Saison 1885/1886 und Ernst Stahl von 1886 an bis 1890 geleitet. Spätestens mit dem Ende der philharmonischen Konzerte 1888 war ein künstlerischer Abstieg unüberhörbar, der sich auch in einem starken Rückgang der Besucherzahlen bemerkbar machte. Auch eine beträchtliche Musikerabwanderung war festzustellen.Härtwig, Philharmonie, 1992, S. 29, 30.
Der Gewerbeverein reagierte darauf, in dem er seinen Saal ab der Saison 1890/1891 an Friedrich August Trenkler|August Trenkler als „Unternehmer auf eigene Rechnung“ verpachtete. Der in Dresden überaus populäre Militärkapellmeister hatte seine Tüchtigkeit längst unter Beweis gestellt, mit ihm setzte bei dem Gewerbehaus-Orchester vor allem die Tradition volkstümlicher „Unterhaltungskonzerte“ ein, die Trenkler meisterhaft beherrschte. August Trenklers Geschäftssinn garantierte nicht nur den Fortbestand der Kapelle, Besucherschwierigkeiten gab es fortan nicht mehr. Seinen „Tischkonzerten“, bei der auch der Ausschank erlaubt war, wurde dermaßen zugesprochen, dass der Saal häufig wegen Überfüllung geschlossen werden musste, regelmäßig gab es „Konzerte mit Ball“. Das Unternehmen florierte wirtschaftlich besser denn je, die Kapelle und sein Dirigent wurden in zahlreichen sächsischen Städten engagiert und vergrößerten den Wirkungskreis, wie auch die Bekanntheit des Gewerbehaus-Orchesters beträchtlich. Überdies wurden zu den Konzerten vorbildlich ausgestattete Programmhefte ausgegeben. August Trenkler trat auch weiterhin mit „Philharmonischen Konzerten“ auf, wenngleich musikerzieherische Aspekte in den Hintergrund traten, er vergrößerte aber vor allem die Zahl der Solisten, die mit dem Orchester auftraten, beträchtlich.Härtwig, Philharmonie, 1992, S. 31. In der Sommerpause musizierte das Orchester täglich als „Königliches Belvedere-Orchester“ (Trenkler hatte durch seine zahlreichen Verbindungen die Nutzung des Vorsatzes „Königlich“ erhalten).
Als 1903 August Trenkler 67-jährig hochgeehrt in den Ruhestand trat, übernahm der 1900 als Konzertmeister in den Dienst der Gewerbehauskapelle getretene Däne Willy Olsen ebenfalls als „Unternehmer auf eigene Rechnung“ das Orchester. Anders als Trenkler konnte er zwar auf ein Stammpublikum aufbauen, jedoch wurden die immer zahlreicher werdenden Variétes in Dresden sowie die Konkurrenz durch das Medium ''Film'', das als Stummfilm stets auf Begleitmusik (d. h. begleitende Musiker, die großen Häuser unterhielten sukzessive eigene Orchester) zu einer ernsten Problematik für die wirtschaftliche Basis des Gewerbehaus-Orchesters.
Seine Amtsperiode bis 1915 war nach der von Hermann Mannsfeldt die zweite mit einer verstärkten Auslandstätigkeit des Orchesters. Nach einem Gastspiel im Februar 1907 in Prag ging es im April bis Juni 1907 nach Kopenhagen und weitere Städte Skandinaviens. 1909 trat das Gewerbehaus-Orchester wohl als eines der ersten deutschen, wenn nicht überhaupt als erstes deutsches, Orchester unter dem Namen „The Dresden Philharmonic Orchestra“ eine Nordamerika-Tournee per Ozeandampfer und Sonderzug durch die USA und Kanada an und gastierte in 60 Tagen in 30 Städten mit insgesamt 56 Konzerten, u. a. in New York (Carnegie Hall), Toronto, Detroit, Cincinnati, New Orleans, Atlanta und Buffalo, vielfach im Rahmen großer Musikfeste. Trotz der Strapazen (die Tournee wurde auch als „wilde Jagd“ bezeichnet), war der künstlerische Triumph ein großer Lohn für die Mühsal.Härtwig, Philharmonie, 1992, S. 33, 34.
Die enorme positive Wirkung in der Dresdner Presse wurde nur wenige Monate später wesentlich für das Orchester und seinen Bestand: Spätestens ab 1911 wandte sich Olsen an den Rat der Stadt und erbat eine jährliche finanzielle Unterstützung für die Musiker seines Orchesters und wies nach, dass das Jahressalär kaum zur Begleichung der regelmäßigen Ausgaben für die Familien ausreichte, mithin die Musiker gezwungen waren, sich einen Nebenverdienst zu suchen. Olsens Anliegen wurde jedoch akzeptiert, bot er sich und das Orchester als Gegenleistung an, regelmäßig „Volkssinfoniekonzerte“ durchzuführen. Das akzeptierte der Rat und mit dem erstmaligen städtischen Finanzierungsbeitrag in der Geschichte des Orchesters begannen 1912 die „Städtischen Volkssinfoniekonzerte“Härtwig, Philharmonie, 1992, S. 35.
Die „Städtischen Volkssinfoniekonzerte“ hatten vornehmlich bildenden Charakter: Für 30 Pfennige Eintrittspreis pro Person auf allen Plätzen (inklusive Garderobe und Programmheft, zu deren Erstellung der Rat die wichtigsten Kritiker der Dresdner Tageszeitungen verpflichtete) zogen sie vornehmlich ein Publikum an, das sich die „normalen“ Eintrittspreise nicht leisten konnte, aber an künstlerisch hervorragend dargebotener Musik interessiert war. Auf Grund des Erfolges wurde der Bogen weiter und intensiver gespannt. Als Höhepunkt verzeichnet der Chronist Dieter Härtwig das Auftreten des Kreuzkantors Otto Richter (Kirchenmusiker)|Otto Richter und dem Orchester 1913 mit Bachs 3. Suite, Beethovens 2. Sinfonie und Wagners Vorspiel zu den „Meistersingern“ im fertiggestellten Neubau des Zirkus Sarrasani vor 5000 Zuhörern. Auch weitere Dresdner Institutionen und Verbände banden das Gewerbehaus-Orchester vertraglich.Härtwig, Philharmonie, 1992, S. 36.
Dadurch, dass diese bildenden Konzerte regelmäßiger Bestandteil der Programme des Gewerbehaus-Orchesters wurden und unter unterschiedlichsten Bezeichnungen bis heute erhalten blieben und bleiben, sind sie damit eine Traditionslinie der Konzertarbeit der Dresdner Philharmonie geworden.
Dies alles wurde durch den Ausbruch des Erster Weltkrieg|Ersten Weltkrieges jäh unterbrochen: Viele Orchestermusiker wurden zum Heeresdienst eingezogen und der Däne Willy Olsen lehnte jede weitere Konzerttätigkeit auf eigene Rechnung ab. Da der Gewerbeverein, der es als eine Pflicht betrachtete, „für den Fortbestand einer höheren Ansprüchen entsprechenden Musikkörperschaft in Dresden neben der Königlichen Kapelle“ Sorge trug und einen „Musikausschuss“ bildete, der das wirtschaftliche Risiko der Spielzeit 1914/1915 trug, blieb Willy Olsen noch diese in Dresden (anschließend ging er nach Finnland). Damit bildete das Jahr 1915 eine echte Zäsur in der Geschichte der Dresdner Philharmonie.Härtwig, Philharmonie, 1992, S. 38.
== Geschichte von 1915 bis 1945 ==
=== 1915 bis 1923: „Dresdner Philharmonisches Orchester“ ===
Im April 1915 lösten sämtliche Musiker nach Unstimmigkeiten mit Olsen ihre Saisonverträge und wandten sich den laufenden Verhandlungen des Gewerbevereines mit einem privaten Unternehmer zu, der in der allgemein unsicheren Lage ein Angebot unterbreitet hatte, das schließlich auch angenommen wurde. Der in Dresden bereits bekannte Edwin Lindner (1884–1935) hatte als Organisator parallel zahlreiche Honoratioren für eine Art „Gründungsverein“ für ein Dresdner philharmonisches Orchester gewonnen.
Am 17. Mai 1915 „kaufte“ am Ende der Spielzeit 1914/1915 der das Gewerbehaus-Orchester und benannte es in „Dresdner Philharmonisches Orchester“ um. Der Kaufpreis betrug 35.000 Goldmark – ein damals üblicher Preis für ein Stadtmusikgeschäft – und beinhaltete das Archiv einschließlich der Notenbestände und der großen Instrumente. Er bildete ein sogenanntes „Teilungsorchester“In Deutschland gab es seit dem Kaiserreich neben den Hofkapellen (ab 1918 in der Regel Staatskapellen, zwei Hofkapellen wurden aufgelöst) drei Typen von Orchester: das ''kooperative Orchester'', zeitgenössisch auch als „Teilungsorchester“ geläufig, in dem Berufsmusiker sowohl die organisatorische Leitung innehaben als auch Eigentümer sind und für die Finanzierung selbst sorgen; das ''unternehmerische Orchester'', in dem ein Unternehmer Eigentümer und Leiter zugleich ist, für die Finanzierung sorgt und Musiker lohnabhängig beschäftigt und den Typus des ''Konzertvereines'', in dem sich Musikliebhaber zusammenfinden und aus Mitgliedsbeiträgen und Kartenverkauf Orchestermusiker beschäftigen. Zitiert nach Martin Rempe: ''Die deutsche Orchesterlandschaft: Kulturförderung, Interessenorganisation und Arbeitsbedingungen seit 1900''. Freie Ensembles und Orchester in Deutschland e.V. (Hrsg.), VAN VON, Berlin 2019, ISBN 978-3-9821416-1-9, auch [https://freo.online/wp-content/uploads/2022/03/FREO_DieDeutscheOrchesterlandschaft_Web.pdf online], S. 12. während parallel sich der Gründungsverein in die „Gesellschaft zur Förderung des Philharmonischen Orchesters und zur Unterstützung des Musikerstandes in Dresden“ umwandelte, die mit 20.000 Goldmark Gründungskapital ausgestattet war, die außerdem 30.000 Goldmark für zunächst drei Jahre zur Verfügung stellte. Da damit zahlreiche angesehene Bürger (Mitglieder des sächsischen Königshauses, Regierungs-, Kommerzien- und Hofräte, Unternehmer, Ärzte, Militärs und Künstler) – einer der Wortführer war Jean Louis Nicodé – eingebunden waren, hatte er mit diesem Start auch von vornherein sich ein repräsentatives Ansehen gesichert.Härtwig, Philharmonie, 1992, S. 39–41.
Musikerseitig übernahm er 21 Personen aus dem (nunmehr: ehemaligen) Gewerbehaus-Orchester und engagierte 18 weitere in Dresden ansässige Musiker sowie 25 „Auswärtige“. Während einerseits ehemalige Mitglieder der Gewerbehauskapelle später ausschieden, vergrößerte Lindner wiederum das Orchester auf 80 Musiker, meist hervorragende Instrumentalisten. Gestartet wurde am 16. Oktober 1915 im Gewerbehaus mit Beethovens 9. Sinfonie und bereits die ersten Kritiken nahmen den außerordentlichen Qualitätssprung wahr. Auf höherem musikalischen Niveau wurden durch Lindner und (ab 1920)Helga Prosinger. ''Das Orchester aus der Pfalz, der Dirigent aus Dresden''. In: Heimatblätter (= Beilage von „Reichenhaller Tageblatt“ und „Freilassinger Anzeiger“), 85. Jg. (2017), Nr. 4, 12. Juni 2017. seinen zweiten Kapellmeister, Florenz Werner, neben den Sinfoniekonzerten, den Städtischen Volkssinfoniekonzerten, den „Großen Philharmonischen Konzerten“ auch die volkstümlichen Tischkonzerte weitergeführt.Härtwig, Philharmonie, 1992, S. 43. Überdies führte Lindner den heute noch modernen und meist dreiteiligen Programmtypus ein, lediglich in den damals populären „Großen Konzerten“ wurde der Typus der zehn- bis fünfzehn gespielten Konzertausschnitten noch eine längere Zeit beibehalten.
1917 wurde ein „Erstes modernes Musikfest“ veranstaltet, was ausschließlich Neuschöpfungen gewidmet war und bei dem u. a. Bernhard Sekles, Walter Braunfels und Paul Graener auftraten und z. T. als Uraufführungen eigene Arbeiten präsentierten.Härtwig, Philharmonie, 1992, S. 47.
Von 1920 bis 1933 veranstaltete der Komponist, Dirigent und Musikschriftsteller Kurt Kreiser musikalische Bildungsabende, genannt „Historische Orchesterkonzerte“, die über Lindners Wirken hinausreichen. Lindner initiierte, dass Johann Strauss (Enkel) ab der Spielzeit 1921/1922 Konzertserien mit der Dresdner Philharmonie gab. Auch dies weist weit zeitlich über Lindner hinaus, denn Strauss-Enkel dirigierte diese noch bis in die Ära van Kempens (insgesamt wurden es über 1000 Konzerte mit der ''Dresdner Philharmonie''), bis er am 2. Weihnachtsfeiertag 1938Härtwig, Philharmonie, 1992, S. 46. Härtwig gibt als letztes Jahr für Strauss (Enkel) 1935 an, dort handelt es sich um einen Druckfehler. nach einem Konzert mit der Dresdner Philharmonie seinen Taktstock endgültig niederlegte (er verstarb wenige Wochen später in Berlin).
Im Frühjahr 1921 unternahm ein großer Teil des inzwischen deutschlandweit anerkannten Orchesters eine Auslandstournee unter [url=viewtopic.php?t=383]Alexander[/url] László in 28 schwedische Städte (mit großer internationaler Resonanz), Edwin Lindner hingegen setzte während dieser Reise mit Hilfe von temporären Kräften die Orchestertätigkeit in Dresden fort: Diese Teilung eines Orchesters, in Wien z. B. längst ein Standard, hatte in Dresden noch keines gewagt.Härtwig, Philharmonie, 1992, S. 47.
Die künstlerischen Erfolge konnten jedoch die wirtschaftlichen Schwierigkeiten insbesondere der Nachkriegszeit nur kaschieren: Verträge galten nur von Oktober bis April (Wintersaison), für die Sommersaison waren zusätzliche Beschäftigungen zu finden, die regelmäßige Bespielung des Belvederes war infolge kriegsbedingter Einsparungen weggefallen. Möglichkeiten ergaben sich als Kurorchester in Bad Elster und in Weißer Hirsch|Bad Weißer Hirsch (heute Stadtteil von Dresden) sowie als Ausstellungsorchester im Dresdner Städtischer Ausstellungspalast (Dresden)|Ausstellungspalast. Gleichwohl spitzte sich die wirtschaftliche Situation ab Ende 1921 durch die zunehmende Hyperinflation in Deutschland|Hyperinflation derart zu, dass schließlich 1922/1923 das Orchester die bis dahin größte künstlerische Krise erlebte und eine Auflösung ernsthaft diskutiert wurde. Die bis dahin existenten Mäzene waren seit 1918 nicht mehr vorhanden (z. B. das sächsische Königshaus) oder gerieten selbst durch die galoppierende Inflation in große wirtschaftliche Probleme (z. B. die Unternehmer oder die Banken), die Orchestermusiker wiederum litten blanke Existenznot. Letztere überwarfen sich mit ihrem „Chef“, so dass Edwin Lindner seinen am 30. April 1923 auslaufenden Vertrag nicht verlängerte und nach Berlin ging; er übernahm dort das Orchester des Deutschlandsenders.Härtwig, Philharmonie, 1992, S. 47–48.
=== 1923 bis 1929: Neue Probleme und Konsolidierung unter Eduard Mörike ===
Der Weggang Edwin Lindners im April 1923 verschärfte die Situation noch mehr, die „Hyperinflation“ hatte ihren Höhepunkt, der erst im November 1923 lag, noch nicht erreicht. Das Orchester musste seinen Zusammenhalt nunmehr selbst in die Hände nehmen, die meisten Orchestermitglieder wanderten ab. Eine Neukonstituierung als „Dresdner Sinfonie-Orchester“, als eine GmbH oder unter dem Dach der bisherigen Fördergesellschaft schieden alle aus. Allerdings bekannte sich in dieser Situation der Rat der Stadt Dresden zu dem Orchester und bildete mit anderen Kulturvereinigungen eine „Konzertgemeinde“, die den Fortbestand des Orchesters ermöglichte. Das unter der Last der Inflation nahezu zusammengebrochene Orchester erhielt eine wirtschaftliche latente, aber zumindest tragfähige gemeinnützige Basis. Am 1. Oktober 1923 – kurz vor dem Höhepunkt der Inflation – eröffnete Joseph Gustav Mraczek als künstlerischer Leiter und erstmals unter dem Namen „Dresdner Philharmonie“ die Saison 1923/1924, die Wiederherstellung hatte er im Verband mit dem Bühnenvolksbund betrieben.Härtwig, Philharmonie, 1992, S. 48–50.
Aus dem übrig gebliebenen Stamm von 24 Musikern und einigen Neuverpflichtungen hatte er ein Orchester von 38 Mann gebildet, was nach Bedarf durch Mitglieder der Staatskapelle auf bis zu 80 Musiker verstärkt wurde (das Orchester hatte ursprünglich 80 Musiker, verstärkt bis zu 100 Musiker).Härtwig, Philharmonie, 1992, S. 50.
Von der Leitung trat Mraczek im April 1924 bereits wieder zurück, die anhaltenden wirtschaftlichen Schwierigkeiten konnte er nicht vollständig beseitigen, was zu Auseinandersetzungen zwischen ihm und den Musikern führte. Der Vorstand des Orchesters wurde seinerseits initiativ, um eine ähnliche genossenschaftliche Konstellation zu erreichen, wie sie die Berliner Philharmoniker bereits eingeführt hatten und damit eine wirtschaftliche Stabilisierung ihres Orchesters erfolgreich erreichten. Die Gründung der Genossenschaft, aus steuerlichen Gründen nicht als „eingetragene Genossenschaft (e G)“, sondern als „eingetragener Verein“ (e. V.), erfolgte am 12. Juni 1924. Wenngleich damit zwar die Existenzkämpfe nicht ausgestanden waren, so war die Verpflichtung als gleichzeitig Arbeitgeber (je höher die künstlerische Leistung sei, desto besser werde die wirtschaftliche Grundlage) und Arbeitnehmer (der dazu explizit beitrage und an einer verbesserten wirtschaftlichen Basis wiederum finanzielle Vorteile habe), die das „Genossenschaftsorchester“ gleichzeitig in sich trage, ein selbstgewählter Anspruch für die Zukunft.Härtwig, Philharmonie, 1992, S. 51. Dem trug auch Rechnung, dass ein dem Genossenschaftsgedanken aufgeschlossener neuer Chefdirigent noch im September 1924 das Amt antrat: Eduard Mörike (Dirigent)|Eduard Mörike, Großneffe des gleichnamigen Dichters und in Dresden seit 1920 bekannt und inzwischen gut vernetzt.Härtwig, Philharmonie, 1992, S. 52.
Mörike war einerseits der geeignete Mann als pädagogisch-psychologisch geschickter Orchestererzieher, zum anderen ein hervorragender Organisator: Im Verbund mit den Vereinen „Dresdner Volksbühne“ und „Volkswohl“ (letzterer auch in ganz Sachsen tätig, womit auch die Reisetätigkeit des Orchesters wieder begann) organisierten Konzerten erreichte man nunmehr zahlreiche Zuhörer, die in „Abonnementkonzerten“ ihrerseits eine dauerhafte wirtschaftliche Basis bildeten. Mörike bildete die „Volkssinfoniekonzerte“ in Anbetracht eines wirtschaftlichen Trägers zu „Volksbühnenkonzerten“ um, bei denen trotzdem der Bildungsgedanke erhalten blieb (Einführungsvorträge, spezielle Themen, wie „Beethoven und unsere Zeit“, „Der junge Wagner“ oder „Alte und neue Tanzweisen im Spiegel der Zeit“, deren Ruf aber weit über Dresden hinaus wirkte und immer mehr zur Grundlage der Orchesterarbeit wurde) und führte die bis heute prägenden „Zykluskonzerte“ ein. Bezüglich letzterer führte er 1925/1926 den ersten umfassenden „Beethoven-Zyklus“ in der Geschichte des Orchesters ein.Härtwig, Philharmonie, 1992, S. 53–55.
Bedeutend und letztlich bis heute fortwirkend war zunächst die Mitwirkung an den von Paul Büttner 1912 eingeführten Konzerte für die Arbeiterjugend, die von Mörike nunmehr auf alle Volks-, Berufs- und höhere Schulen ausgedehnt wurde (Diese „Schulkonzerte“ sind bis heute durchgängige Praxis des Orchesters und genießen nach wie vor ein hohes Ansehen in Dresden). Der Rat der Stadt erhöhte schließlich 1926 den von ihm dafür gezahlten Zuschuss für die meist von Florenz Werner geleiteten zehn Schulkonzerte unter der Bedingung, dass jährlich noch weitere zehn Konzerte für Erwerbslose durchführe. Der Mitteldeutsche Rundfunk AG|Mitteldeutschen Rundfunk AG (MIRAG) wiederum sorgte durch die zahlreiche Übertragung dieser Konzerte dafür, dass diese musikerzieherische Tätigkeit der Dresdner Philharmonie bekannt und schließlich bahnbrechend wurde, zumal das Orchester auch bei Gastspielreisen musikpädagogisch tätig war.Härtwig, Philharmonie, 1992, S. 56.
Mörike konnte aber auch ein seit Jahrzehnten virulentes Problem lösen. Er strebte eine homogene Orchester-Klangkultur an, die allerdings mit Musikerverträgen, die nur für eine Saison (Oktober bis April) galten, trotz sommerlicher Auftritte, nicht zu erreichen war. Das ließ sich nur erreichen, wenn das Orchester in seiner Gesamtheit auch in der Sommersaison dauerhaft Beschäftigung erhielt und ganzjährige Arbeitsverträge abgeschlossen werden konnten. Ab 1925 (bis 1933) ging daher das Orchester nach Bad Pyrmont, um dort als „Kurorchester“ aufzutreten (die örtliche Leitung übernahm Walter Stöver), zunächst im Kurpark, ab 1928 im dortigen neuerbauten Konzerthaus.Härtwig, Philharmonie, 1992, S. 56–57.
=== 1934 bis 1945: Paul van Kempen (1934–1942) und der Untergang des Gewerbehauses 1945 ===
Unter dem Chefdirigenten Paul van Kempen, der die künstlerische Leitung von 1934 bis 1942 innehatte, entwickelte sich das Orchester zu einem der besten in Deutschland.
== Geschichte von 1945 bis heute ==
1947 bis 1963 stand als Chefdirigent Heinz Bongartz (Dirigent)|Heinz Bongartz dem Orchester vor. Kurt Masur wirkte seit 1955 als Dirigent der Dresdner Philharmonie, von 1967 bis 1972 leitete er das Orchester als Chefdirigent. In der Zeit von 1986 bis 1995 leitete Jörg-Peter Weigle das Orchester, 2003 bis 2011 war Rafael Frühbeck de Burgos Chefdirigent der Dresdner Philharmonie, von 2011 bis 2019 war es Michael Sanderling,
Von 1965 bis 1997 lag die Dramaturgie in den Händen von Dieter Härtwig.
Als Intendant (geschäftsführender Leiter) des Orchesters wirkte von 1992 bis zu seinem Tod im Juli 2004 Olivier von Winterstein, dem interimistisch bis zum Jahresende 2004 und regulär von Januar 2005 bis Dezember 2014 Anselm Rose folgte. Dessen Nachfolgerin ist seit Januar 2015 Frauke Roth.
== Literatur ==
* Dieter Härtwig: ''Die Dresdner Philharmonie'', Altis-Verlag, Berlin 1992, ISBN 3-910195-04-0.
Kategorie:Orchester (Dresden)|Philharmonie
Kategorie:Gegründet 1870
Kategorie:Sinfonieorchester (Deutschland) [/h4]
-
- Similar Topics
- Replies
- Views
- Last post
-
-
Geschichte der Alpen
by Anonymous » » in Artikelentwürfe'''Geschichte der Alpen''' steht für
* die Bevölkerungsgeschichte, politische Geschichte und Wirtschaftsgeschichte der Alpen, siehe Geschichte des Alpenraums
* die geologische Geschichte der Alpen,... - 0 Replies
- 20 Views
-
Last post by Anonymous
-
-
-
Shopgirls: Die wahre Geschichte des Lebens hinter der Theke
by Guest » » in Artikelentwürfe„Shopgirls: Die wahre Geschichte des Lebens hinter der Theke“ ist eine BBC-Fernsehserie, die von Professorin Pam Cox (Pamela Cox) präsentiert wird. Es wurde von Annabel Hobley produziert.
== Episoden... - 0 Replies
- 20 Views
-
Last post by Guest
-
-
-
Diener: Die wahre Geschichte des Lebens unter der Treppe
by Guest » » in Artikelentwürfe„Servants: The True Story of Life Below Stairs“ ist ein historischer Dokumentarfilm der BBC, präsentiert von Professorin Pamela Cox und produziert von Emma Hindley und Annabel Hobley.
== Episoden ==... - 0 Replies
- 25 Views
-
Last post by Guest
-
-
-
Man lebt nur zweimal – Die unglaublich wahre Geschichte der Familie Hughes
by Anonymous » » in Artikelentwürfe„Man lebt nur zweimal – Die unglaublich wahre Geschichte der Familie Hughes“ ist ein australischer Dokumentarfilm aus dem Jahr 2010, geschrieben und inszeniert von Brendan Young, der vier Genres der... - 0 Replies
- 25 Views
-
Last post by Anonymous
-
-
-
Museum für die Geschichte Rigas und der Schifffahrt
by Anonymous » » in ArtikelentwürfeDas '''Museum der Geschichte der Stadt Riga und der Seefahrt'''
Das Museum befindet sich in der Altstadt von Riga an der Palasta-Straße 4 und gehört zum Gebäude-Ensemble des Rigaer Doms. Es ist das... - 0 Replies
- 19 Views
-
Last post by Anonymous
-
Mobile version