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'''SuperTex''' ist der Titel eines 1991 erschienenen, zwischen Satire und Lebenssinnsuche oszillierenden Romans von Leon de Winter: Der jüdische Unternehmer Max Breslauer ist in einer Identitätskrise und erzählt einer Therapeutin von seinem zwiespältigen Verhältnis zu seinem Vater und seinem jüngeren Bruder und von seinen Beziehungsproblemen. Die deutsche Übersetzung von Sibylle Mulot wurde 1993 publiziert.
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[h4] '''SuperTex''' ist der Titel eines 1991 erschienenen, zwischen Satire und Lebenssinnsuche oszillierenden Romans von Leon de Winter: Der jüdische Unternehmer Max Breslauer ist in einer Identitätskrise und erzählt einer Therapeutin von seinem zwiespältigen Verhältnis zu seinem Vater und seinem jüngeren Bruder und von seinen Beziehungsproblemen. Die deutsche Übersetzung von Sibylle Mulot wurde 1993 publiziert.
== Überblick ==
Die Rahmenhandlung spielt an einem Samstag im Oktober 1990 in Amsterdam. Der Textil-Unternehmer Max Breslauer erzählt, ausgelöst von einem Verkehrsunfall und der Konfrontation mit einer davon betroffenen Chassidismus|Chassidenfamilie (Kp. 2), einer Therapeutin von seiner Identitätskrise als Erbe seines geschäftlich erfolgreichen Vaters und der jüdischen Tradition:
* Auseinandersetzung mit seinem dominanten Vater, der als einziges Mitglied seiner Familie, den Holocaust überlebt hat (Kp. 4, 6).
* Trennung von seiner Freundin Esther, als diese sich dem orthodoxen Judentum zuwendet, streng das jüdische Gesetz einhält und schließlich nach Jerusalem auswandert (Kp. 8, 9), wogegen er sich als Holländer fühlt und der Religion distanziert gegenübersteht.
* Schuldgefühl und zugleich Bewunderung seinem jüngeren Bruder Benjamin gegenüber, den er zu einem Geschäftsabschluss nach Casablanca geschickt hat und der dort eine selbständige Existenz beginnt und ihm Vorwürfe über sein unmoralisches Leben macht (Kp. 11).
=== Unfall ===
Der 36-jährige Max Breslauer führt seit einem Jahr als Nachfolger seines Vaters, der bei einem Autounfall gestorben ist, das ETI-Unternehmen (EuroTexInternational), das über seine SuperTex-Ladenkette billige Konfektionsware aus Sri Lanka, Südkorea, Hongkong und Indien verkauft und zugleich andere Firmen in Europa damit beliefert. Als gegen den Kapitalismus rebellierender Student wollte er für die Armen kämpfen, nun führt er ein luxuriöses Leben und hat vom Vater dessen autoritäres, jähzorniges Verhalten übernommen und außerdem dessen mit einem Appartement und einem Ferrari ausgestattete Geliebte Maria.
Im Oktober 1990 kommt es zu Lieferschwierigkeiten und Max Breslauer muss mit seinem Bangkoker Sweatshop-Partner Jimmy Tschin über Ersatzlieferungen oder Bußgelder für Gewinnausfälle verhandeln. Auf der Fahrt mit seinem hochgezüchteten Porsche zu seinem Büro kommt es zu einem Unfall, bei dem das Kind einer Chassidenfamilie auf dem Weg zur Synagoge verletzt wird (Kap. 2). Die Beschimpfung des Vaters, er sei „ein Jude in einem Porsche“, trifft Breslauer in einer labilen Lebensphase: äußerlich zwar selbstbewusst, ist er doch über seinen Lebensstil verunsichert, nachdem sich seine Freundin Esther und sein Bruder Benjamin vom Amsterdamer luxuriösen Leben getrennt haben und zur jüdischen Tradition zurückgekehrt sind. Sofort nach dem Unfall vereinbart Max ein Gespräch mit der Psychotherapeutin Dr. Jansen und erzählt ihr den ganzen Tag über seine Lebensgeschichte (Kp.1, 3, 5, 7, 9, 12).
=== Das Erbe ===
Max‘ Hauptkonfliktfeld ist seine Vaterbeziehung: Sein Vater Simon ist [url=viewtopic.php?t=7897]der einzige Überlebende[/url] einer armen Lemberger jüdischen Händlerfamilie (Kap. 4): Er wird als 13-Jähriger 1943 im Vernichtungslager Belzec|Arbeitslager Bełżec inhaftiert und übersteht dort die Zeit bis zur Befreiung als „Ratte, Händler und Dieb“.Leon de Winter: ''SuperTex.'' Diogenes Verlag Zürich, 1996, S. 56. Nach seiner Rettung folgt er Zionismus|Zionisten nach Israel. 1950 kehrt er nach Europa zurück und beginnt nach verschiedenen Arbeiten einen Textilhandel, den er innerhalb von dreißig Jahren zu einer Kette ausbaut, mit der er viel Geld verdient. Vor diesem Hintergrund des harten väterlichen Schicksals und seines großen Fleißes wachsen die beiden Söhne im Wohlstand auf, und in der Erwartung, den Aufstieg erfolgreich fortzusetzen. Der begabte Max soll Rechtsanwalt werden, um das Gesetz kennenzulernen und „die Schlupflöcher zu finden“,Leon de Winter: ''SuperTex.'' Diogenes Verlag Zürich, 1996, S. 59. der jüngere Benjamin (Boy) wird zum Buchhalter ausgebildet.
Während Boy sich dem Familienleben anpasst, rebelliert Max in der Zeit der Pubertät und als Student gegen die väterlichen Prinzipien und gegen die wöchentlichen Synagogenbesuche. Er kleidet sich Hippie-mäßig, liest, symbolträchtig, Franz Kafka|Kafkas Die Verwandlung|Verwandlung und marxistische Autoren und nimmt nach dem sechsjährigen Studium eine Stelle in die Anwaltskanzlei Goudsmit und De Vries an. Er will „frei und unabhängig sein und mit der Vergangenheit [s]eines Vaters und seiner beschränkten Weltsicht nichts zu tun haben, mit diesem Konfektionsblick, dem Blick für preiswerten Einkauf und vorteilhaften Widerverkauf.“Leon de Winter: ''SuperTex.'' Diogenes Verlag Zürich, 1996, S. 62.
Am Ende seiner Therapiegespräche, auch Anna hat sich an diesem Schicksalstag von ihm getrennt (Kp. 10), akzeptiert Max, dass er „der Erbe“ ist, zumindest der jiddischen Sprichwörter seines Vaters, in denen die „grausame Wahrheit“ seines Volkes steckt: „Az der Tate schenkt dem zun, lachn beide – az der zun schenkt dem Tatn, weinen beide. Wenn der Vater seinem Sohn etwas schenkt, lachen beide – wenn der Sohn seinem Vater etwas schenkt, weinen beide.“Leon de Winter: ''SuperTex.'' Diogenes Verlag Zürich, 1996, S. 265.
=== Esther ===
In der Anwaltskanzlei lernt Max seine Kollegin Esther d’Oliveira kennen und beginnt mit ihr eine vierjährige Liebesbeziehung (Kp. 8, 9). Sie ist die Tochter einer Sephardim|sephardischen Familie aus dem großbürgerlichen jüdischen Milieu und hat sich vor dem Eintritt in die Kanzlei von ihrem Mann Ernst scheiden lassen. Dieser hat als Cellist von einer Solokarriere geträumt und seine Anstellung in einem Orchester als Scheitern empfunden. Alkoholprobleme und zwei Selbstmordversuche waren die Folge. Er akzeptiert die Scheidung nicht und hofft auf einen Neubeginn. Sie hat Schuldgefühle, ihm nicht helfen zu können, und verschweigt ihm ihre Beziehung zu Max. Nach seinem Selbstmord gerät Esther in eine Krise, sucht Halt in jüdischen Ritualen, in den Regeln der Religionsgesetze, z. B. der Feiertage und der Haushaltsführung, reist nach Jerusalem und entschließt sich, nach Israel zu emigrieren. Max ist zwar zu einer jüdischen moralischen Grundhaltung erzogen worden, ihm fehlt jedoch der Glaube an die „Gesamtvision“ ihrer Lebensweise und kann Esther nicht folgen. Er besucht sie anfangs an den Wochenenden, bis sie sich mit einem Talmudgelehrten, Jitzak Goldberg, verlobt, den sie bald darauf heiratet.
=== Benjamin (Boy) ===
Im Gegensatz zu Max fügt sich Boy, wie seine Mutter, den Erwartungen seines Vaters, akzeptiert freundlich, obwohl er darunter leidet, die Schattenrolle des wenig begabten Bruders eines juristischen und kommerziellen Genies und wird nach dem Besuch der Realschule gut bezahlter Buchhalter der ETI. Er legt sein Geld in Aktien an, lebt im Haus der Eltern und fährt wie der Vater einen Mercedes, nur ein kleineres Modell (Kp. 11). Obwohl er Lea, die Tochter des reichen Gullydeckel- und Geflügel-Unternehmers van Gelder, nicht liebt, stimmt er einer von den Eltern arrangierten Ehe mit ihr zu.
Seine Emanzipation, die er dem Bruder in fünf Briefen beschreibt, beginnt mit einem Geschäftsauftrag in Marokko kurz vor der Vermählung. Er soll in Casablanca den Vertrag mit den Brüder Louis und Jean Pierre Mohammed verlängern. Als diese jedoch neu verhandeln und die Konditionen zu ihren Gunsten verändern wollen, tritt er plötzlich, um sich seinem Bruder zu beweisen, als harter Geschäftsmann auf und lehnt schroff und unhöflich ab. Die Brüder lenken jedoch nicht ein, wie er gehofft hat, und er traut sich nicht, mit einem Misserfolg nach Amsterdam zurückzukehren und taucht in Casablanca unter. In einem Café kommt er mit dem Händler Abdul ins Gespräch. Dieser bestätigt ihn in seiner Strategie und bietet sich als Vermittler mit den Brüdern Mohammed an. Boy fasst neue Hoffnung und leiht dem neuen Freund vertrauensselig 400 Dollar, stellt aber bald darauf fest, dass er auf einen Betrüger hereingefallen ist. Vor einer Synagoge entdeckt er zufällig Abdul, der eigentlich David heißt, zusammen mit anderen Juden. Er beschuldigt ihn des Betrugs, dieser will vor seinen Bekannten kein Aufsehen erregen und lädt ihn zur Klärung der Angelegenheit in seine armselige Wohnung ein. Dort sieht er Davids schöne Tochter Sulamith und verliebt sich in sie. Die beiden Männer arrangieren sich privat und auch geschäftlich: Als „Whirlpool“-Partner stellen sie vor dem Hauptplatz der Medina für Touristen ein Dutzend chemischer Toiletten auf und fordern fünf Dollar als Benutzungsgebühr. Boy erklärt dem Bruder und seiner Verlobte Lea die von ihm als schicksalhaft empfundene Veränderung seines Lebens. Er bleibt in Casablanca, wird Sulamith heiraten und mit ihr und seiner neuen Familie nach der jüdischen Tradition leben.
Auf der Suche nach seinem verlorenen Bruder reist Max nach Marokko und hört sich dessen Vorwürfe an, die auch seinen eigenen entsprechen: „…bist du eigentlich in Amsterdam glücklich? Was ist aus dir geworden? Du wohnst mit einer Schickse zusammen, und mit was für einer, der ehemaligen Mätresse von Papa, du siehst aus wie ein vollgefressenes Schwein, aber eins mit beschnittenem Schwanz, und arbeitest dich langsam, aber sicher auf den Herzinfarkt zu. Was ist das für ein Leben? […] Machst gute Geschäfte und frisst dich voll. […] Fährt dir niemals das flammende Schwert der Scham durch dein fettes Herz? Fragst Du dich nie: ein Jude in einem Porsche, geht das?“Leon de Winter: SuperTex. Diogenes Verlag Zürich, 1996, S. 253, 255.
== Rezeption ==
In den Rezensionen wird die „[s]pannende Mischung aus modernem Sittengemälde, Spurensuche, Satire und philosophischen Gedanken“ in De Winters Werk gewürdigt.Margarete von Schwarzkopf|Von Schwarzkopf, ''Norddeutscher Rundfunk''. Zitiert in: Leon de Winter: ''SuperTex.'' Diogenes Verlag Zürich, 1996, Klappentext, Rückseite. Einerseits sei der Roman „eine intelligente Auseinandersetzung mit Leid und Sinnfrage“,Peter Budig, ''Stuttgarter Nachrichten.'' Zitiert in: Leon de Winter: ''SuperTex.'' Diogenes Verlag Zürich, 1996, Klappentext, Rückseite. andererseits ein mit „Tempo und Intelligenz“ erzählter „Unterhaltungsroman bester Güte“, „von der ersten bis zur letzten Seite mit Spannung und Genuss zu lesen“.Elke Heidenreich|Heidenreich, ''Radio Bremen''. Zitiert in: Leon de Winter: ''SuperTex.'' Diogenes Verlag Zürich, 1996, Klappentext, Rückseite. Dieser Aspekt wird von der Kritik einhellig gelobt: De Winter erzähle „mit großem dramaturgischem Geschick, raffiniert eingesetzten Blenden und effektvoll inszenierten Episoden“.Martin Lüdke|Lüdke, ''Die Zeit''. Zitiert in: Leon de Winter: ''SuperTex.'' Diogenes Verlag Zürich, 1996, Klappentext, Rückseite. Das sei „witzig, flott, höchst amüsant zu lesen[de]“,Peter Budig, ''Stuttgarter Nachrichten.'' Zitiert in: Leon de Winter: ''SuperTex.'' Diogenes Verlag Zürich, 1996, Klappentext, Rückseite. „große europäische Literatur“.Martin Lüdke|Lüdke, ''Die Zeit.'' Zitiert in: Leon de Winter: SuperTex. Diogenes Verlag Zürich, 1996, Klappentext, Rückseite.
== Adaptionen ==
=== Lesung ===
* Leon de Winter: ''SuperTex.''. Audio CD – Hörbuch, Roof Music, 2003. Sprecher: Jürgen Tarrach.
=== Film ===
* ''Supertex - Eine Stunde im Paradies'' (2003), Darsteller: Stephen Mangan (Max Breslauer) · Jan Decleir (Simon Breslauer) · Maureen Lipman (Dora Breslauer) · Elliot Levey (Boy Breslauer) ·Meital Berdah (Esther), Tracy-Ann Oberman (Lea van Gelder), Anna Geislerová (Maria).
Kategorie:Literarisches Werk
Kategorie:Literatur (20. Jahrhundert)
Kategorie: Roman, Epik
Kategorie:Literatur (Niederländisch)
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