'''The Cannibal Club''' war ein Londoner Gentlemen’s Club|Herrenclub der Viktorianisches Zeitalter|viktorianischen Ära, 1863 gegründet von dem Abenteurer und Übersetzer Richard Francis Burton und dem Anthropologie|Anthropologen James Hunt (Anthropologe)|James Hunt. Die Mitglieder gehörten in der Regel auch der ''Anthropological Society of London'' (ASL) an, einer Abspaltung von der ''Ethnological Society of London'' (ESL), zu der es gekommen war, weil Hunt und andere Vertreter des Polygenismus die sich in der ESL durchsetzende Tendenz zum Monogenismus ablehnten. Der Polygenismus war eine Theorie, nach welcher die Menschheit und die menschlichen Rassentheorie|Rassen nicht auf eine gemeinsame Wurzel, sondern auf verschiedene Ursprünge zurückgehen. Man betrachtet den Polygenismus daher auch als wissenschaftlichen Rassismus. Nach den Sitzungen der ASL traf man sich in einem Restaurant um zu essen, zu trinken und sich jenseits der Beschränkungen der damaligen gesellschaftlichen Konventionen frei auszutauschen über alle möglichen Themen, mit besonderer Berücksichtigung von Fragen der Sexualität.
Der Treffpunkt des ''Cannibal Club'' war ''Bertolini’s'' ein italienisch-französisches Restaurant, in einem Stockwerk des Newton Hotels in der St. Martin’s Lane in der Nähe des Leicester Square.
Die Mitglieder waren teils Wissenschaftler, teils Beamte und Offiziere, sowie einige Künstler. Zu ihnen zählen neben den Gründern Burton und Hunt unter anderen:
* Thomas Bendyshe, Atheist und Herausgeber des ''Reader''
* Charles Carter Blake, Anthropologe und Paläontologe
* Edward William Brabrook, Anthropologe und Volkskundler
* Charles Bradlaugh, Politiker und Atheist
* Charles Duncan Cameron, Offizier, Diplomat und und Sammler von Pornographie
* Richard Stephen Charnock, Anwalt
* Frederick Hankey, Sammler und Schmuggler von Pornographie
* Dunbar Isidore Heath, Geistlicher und Ägyptologe
* Studholme John Hodgson, Offizier und Sammler von Pornographie
* Richard Monckton Milnes, 1. Baron Houghton, Dichter und politischer Aktivist
* Henry Anthony Murray, Seeoffizier
* James Campbell Reddie, Sammler und Autor von Pornografie
* George Augustus Sala, Journalist und Verfasser eines flagellantischen Romans
* Edward Sellon, Verfasser erotischer Romane
* Simeon Solomon, Maler
* Algernon Charles Swinburne, Dichter und Verfasser flagellantischer Schriften
* John Addington Symonds, homoerotischer Dichter
* James Plaisted Wilde, 1. Baron Penzance, Richter, Rosenzüchter und Sammler von Pornographie
Das Wappenschild des Clubs stellt ein Wortspiel dar, indem es einen (schwarzen) Kannibalen zeigt, der in einen menschlichen Oberschenkelknochen|Schenkelknochen in Form einer Keule (englisch ''club'') beißt. Das Mottogedicht lehnt sich an das Vaterunser an und stammt von SwinburneAlgernon Charles Swinburne: ''The Cannibal Catechism.'' Privatdruck, London 1913, S. 7.:
Preserve us from our enemies
Thou who art Lord of suns and skies
Whose meat and drink is flesh in pies
And blood in bowls!
Of thy sweet mercy, damn their eyes
And damn their souls.
Der Club war relativ kurzlebig. Gegen Ende der 1860er Jahre ist er eingeschlafen bzw. hat sich aufgelöst. John Wallen zufolge vor allem dadurch, dass die wissenschaftliche Diskussion von Polygenismus vs. Monogenismus nach der Publikation von Charles Darwin|Darwins grundlegenden Arbeiten zur Evolutionstheorie und hier vor allem durch das Erscheinen von ''The Descent of Man'' 1871 zugunsten des Monogenismus entschieden wurde, weshalb ein Versuch Burtons zur Wiederbelebung des ''Cannibal Clubs'' Anfang der 1870er scheiterte.
James Hunt, der vor allem die Abspaltung der ''Anthropological Society'' von der ''Ethnological Society'' betrieben hatte, war 1869 gestorben. 1871 wurden die beiden Gesellschaften zum ''Royal Anthopological Institute'' vereinigt, dessen ''Dining Club'' bis 1965 bestand, ab 1952 als ''Long Pig Club'' (englisch ''long pig'' oder „Langschwein“ verweist auf Kannibalismus), der sich im ''Nag’s Head Pub'' in der Floral Street inCovent Garden traf. Als Fortbestand des ''Cannibal Clubs'' mir dessen rassistisch-pornographischen Agenda kann diese Vereinigung jedoch nicht betrachtet werden.John Wallen: ''The Cannibal Club and the Origins of 19th Century Racism and Pornography.'' S. 10.
John Wallen und andere stellen fest, dass im ''Cannibal Club'' rassistische, kolonialistische und imperialistische Standpunkte vertreten wurden. Das war zu jener Zeit allerdings nicht ungewöhnlich, zudem war der Club ideologisch keineswegs homogen. Deborah Lutz sieht im Gegensatz dazu den Club als einen Ort, an dem radikale Individualisten einander begegneten und eine viktorianische Gegen- bzw. Subkultur sich äußerte. Offensichtlich ist die zentrale Rolle, die Pornographie bei den Aktivitäten des Clubs und seiner Mitglieder spielte, und zwar das Sammeln, Erwerben und (teils gemeinschaftliche) Verfassen von Pornographie.
== Literatur ==
* Dane Kennedy: ''The Highly Civilized Man : Richard Burton and the Victorian World.'' Harvard University Press, 2005, ISBN 978-0-674-02552-3.
* Mary S. Lovell: ''A Rage to Live : A Biography of Richard and Isabel Burton.'' Norton, 2000, ISBN 978-0-393-34455-4.
* Deborah Lutz: ''Pleasure Bound : Victorian Sex Rebels and the New Eroticism.'' Norton, 2011, ISBN 978-0-393-08067-4.
* Monte Reel: ''Between Man and Beast : An Unlikely Explorer, the Evolution Debates, and the African Adventure that Took the Victorian World by Storm.'' Knopf Doubleday, 2013, ISBN 978-0-385-53422-2, Kap. 28.
* Lisa Z. Sigel: ''Governing Pleasures : Pornography and Social Change in England, 1815–1914.'' Rutgers University Press, 2002, ISBN 0-8135-3001-6.
* John Wallen: ''New Perspectives on Sir Richard Burton : Orientalism, the Cannibal Club, and Victorian Ideas of Sex, Race and Gender.'' Academica Press, Bethesda 2016, ISBN 978-1-936320-87-5.
* John Wallen: ''The Cannibal Club and the Origins of 19th Century Racism and Pornography.'' In: ''The Victorian'', Volume 1, Number 1 (August, 2013) ([https://www.academia.edu/download/31670 ... erence.pdf PDF]).
* Brian M. Watson: ''Hellfire and Cannibals : Eighteenth- and Nineteenth-Century Erotic Reading Groups and Their Manuscripts.'' In: ''The Edinburgh History of Reading: Subversive Readers''. Edinburgh University Press, Edinburgh 2020, S. 75-96.
Dane Kennedy: ''The Highly Civilized Man.'' 2005, S. 169.
''List of Cannibals dining 19th June 1866'' (A5/240). Royal Anthropological Institute of London. Vgl. John Wallen: ''The Cannibal Club and the Origins of 19th Century Racism and Pornography.'' 2013.
Kategorie:Britischer Club
Kategorie:Organisation (19. Jahrhundert)
Kategorie:Vereinsgründung 1863
[h4] '''The Cannibal Club''' war ein Londoner Gentlemen’s Club|Herrenclub der Viktorianisches Zeitalter|viktorianischen Ära, 1863 gegründet von dem Abenteurer und [url=viewtopic.php?t=2583]Übersetzer[/url] Richard Francis Burton und dem Anthropologie|Anthropologen James Hunt (Anthropologe)|James Hunt. Die Mitglieder gehörten in der Regel auch der ''Anthropological Society of London'' (ASL) an, einer Abspaltung von der ''Ethnological Society of London'' (ESL), zu der es gekommen war, weil Hunt und andere Vertreter des Polygenismus die sich in der ESL durchsetzende Tendenz zum Monogenismus ablehnten. Der Polygenismus war eine Theorie, nach welcher die Menschheit und die menschlichen Rassentheorie|Rassen nicht auf eine gemeinsame Wurzel, sondern auf verschiedene Ursprünge zurückgehen. Man betrachtet den Polygenismus daher auch als wissenschaftlichen Rassismus. Nach den Sitzungen der ASL traf man sich in einem Restaurant um zu essen, zu trinken und sich jenseits der Beschränkungen der damaligen gesellschaftlichen Konventionen frei auszutauschen über alle möglichen Themen, mit besonderer Berücksichtigung von Fragen der Sexualität.
Der Treffpunkt des ''Cannibal Club'' war ''Bertolini’s'' ein italienisch-französisches Restaurant, in einem Stockwerk des Newton Hotels in der St. Martin’s Lane in der Nähe des Leicester Square. Die Mitglieder waren teils Wissenschaftler, teils Beamte und Offiziere, sowie einige Künstler. Zu ihnen zählen neben den Gründern Burton und Hunt unter anderen: * Thomas Bendyshe, Atheist und Herausgeber des ''Reader'' * Charles Carter Blake, Anthropologe und Paläontologe * Edward William Brabrook, Anthropologe und Volkskundler * Charles Bradlaugh, Politiker und Atheist * Charles Duncan Cameron, Offizier, Diplomat und und Sammler von Pornographie * Richard Stephen Charnock, Anwalt * Frederick Hankey, Sammler und Schmuggler von Pornographie * Dunbar Isidore Heath, Geistlicher und Ägyptologe * Studholme John Hodgson, Offizier und Sammler von Pornographie * Richard Monckton Milnes, 1. Baron Houghton, Dichter und politischer Aktivist * Henry Anthony Murray, Seeoffizier * James Campbell Reddie, Sammler und Autor von Pornografie * George Augustus Sala, Journalist und Verfasser eines flagellantischen Romans * Edward Sellon, Verfasser erotischer Romane * Simeon Solomon, Maler * Algernon Charles Swinburne, Dichter und Verfasser flagellantischer Schriften * John Addington Symonds, homoerotischer Dichter * James Plaisted Wilde, 1. Baron Penzance, Richter, Rosenzüchter und Sammler von Pornographie
Das Wappenschild des Clubs stellt ein Wortspiel dar, indem es einen (schwarzen) Kannibalen zeigt, der in einen menschlichen Oberschenkelknochen|Schenkelknochen in Form einer Keule (englisch ''club'') beißt. Das Mottogedicht lehnt sich an das Vaterunser an und stammt von SwinburneAlgernon Charles Swinburne: ''The Cannibal Catechism.'' Privatdruck, London 1913, S. 7.: Preserve us from our enemies Thou who art Lord of suns and skies Whose meat and drink is flesh in pies And blood in bowls! Of thy sweet mercy, damn their eyes And damn their souls.
Der Club war relativ kurzlebig. Gegen Ende der 1860er Jahre ist er eingeschlafen bzw. hat sich aufgelöst. John Wallen zufolge vor allem dadurch, dass die wissenschaftliche Diskussion von Polygenismus vs. Monogenismus nach der Publikation von Charles Darwin|Darwins grundlegenden Arbeiten zur Evolutionstheorie und hier vor allem durch das Erscheinen von ''The Descent of Man'' 1871 zugunsten des Monogenismus entschieden wurde, weshalb ein Versuch Burtons zur Wiederbelebung des ''Cannibal Clubs'' Anfang der 1870er scheiterte.
James Hunt, der vor allem die Abspaltung der ''Anthropological Society'' von der ''Ethnological Society'' betrieben hatte, war 1869 gestorben. 1871 wurden die beiden Gesellschaften zum ''Royal Anthopological Institute'' vereinigt, dessen ''Dining Club'' bis 1965 bestand, ab 1952 als ''Long Pig Club'' (englisch ''long pig'' oder „Langschwein“ verweist auf Kannibalismus), der sich im ''Nag’s Head Pub'' in der Floral Street inCovent Garden traf. Als Fortbestand des ''Cannibal Clubs'' mir dessen rassistisch-pornographischen Agenda kann diese Vereinigung jedoch nicht betrachtet werden.John Wallen: ''The Cannibal Club and the Origins of 19th Century Racism and Pornography.'' S. 10.
John Wallen und andere stellen fest, dass im ''Cannibal Club'' rassistische, kolonialistische und imperialistische Standpunkte vertreten wurden. Das war zu jener Zeit allerdings nicht ungewöhnlich, zudem war der Club ideologisch keineswegs homogen. Deborah Lutz sieht im Gegensatz dazu den Club als einen Ort, an dem radikale Individualisten einander begegneten und eine viktorianische Gegen- bzw. Subkultur sich äußerte. Offensichtlich ist die zentrale Rolle, die Pornographie bei den Aktivitäten des Clubs und seiner Mitglieder spielte, und zwar das Sammeln, Erwerben und (teils gemeinschaftliche) Verfassen von Pornographie.
== Literatur == * Dane Kennedy: ''The Highly Civilized Man : Richard Burton and the Victorian World.'' Harvard University Press, 2005, ISBN 978-0-674-02552-3. * Mary S. Lovell: ''A Rage to Live : A Biography of Richard and Isabel Burton.'' Norton, 2000, ISBN 978-0-393-34455-4. * Deborah Lutz: ''Pleasure Bound : Victorian Sex Rebels and the New Eroticism.'' Norton, 2011, ISBN 978-0-393-08067-4. * Monte Reel: ''Between Man and Beast : An Unlikely Explorer, the Evolution Debates, and the African Adventure that Took the Victorian World by Storm.'' Knopf Doubleday, 2013, ISBN 978-0-385-53422-2, Kap. 28. * Lisa Z. Sigel: ''Governing Pleasures : Pornography and Social Change in England, 1815–1914.'' Rutgers University Press, 2002, ISBN 0-8135-3001-6. * John Wallen: ''New Perspectives on Sir Richard Burton : Orientalism, the Cannibal Club, and Victorian Ideas of Sex, Race and Gender.'' Academica Press, Bethesda 2016, ISBN 978-1-936320-87-5. * John Wallen: ''The Cannibal Club and the Origins of 19th Century Racism and Pornography.'' In: ''The Victorian'', Volume 1, Number 1 (August, 2013) ([https://www.academia.edu/download/31670646/wallen-conference.pdf PDF]). * Brian M. Watson: ''Hellfire and Cannibals : Eighteenth- and Nineteenth-Century Erotic Reading Groups and Their Manuscripts.'' In: ''The Edinburgh History of Reading: Subversive Readers''. Edinburgh University Press, Edinburgh 2020, S. 75-96.
* [https://www.smithsonianmag.com/history/cannibal-club-racism-and-rabble-rousing-victorian-england-180952088/ ''The Cannibal Club: Racism and Rabble-Rousing in Victorian England''], Beitrag von Jeff M. Campagna vom 18. Juli 2014 im ''Smithsonian Magazine''
Dane Kennedy: ''The Highly Civilized Man.'' 2005, S. 169. ''List of Cannibals dining 19th June 1866'' (A5/240). Royal Anthropological Institute of London. Vgl. John Wallen: ''The Cannibal Club and the Origins of 19th Century Racism and Pornography.'' 2013.
Kategorie:Britischer Club Kategorie:Organisation (19. Jahrhundert) Kategorie:Vereinsgründung 1863 [/h4]